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An(ge)dacht

Gehorche der Freiheit!

Liebe Gemeindeglieder,
viele freuen sich, dass es mehr als in anderen Jahren nun in 2017 günstige „Brückentage“ gibt. Das macht es uns leichter, kleine „zeitliche Urlaubsinseln“ einzubauen. Ergänzt um ganz wenige eigene Urlaubstage kann so leicht eine ganze Ferienwoche gewonnen werden. So bleibt mehr Freiraum für alles, was sonst wegen Schule und Beruf eher zu kurz kommt oder gar ganz auf der Strecke bleibt.

Im Alltag wird uns vieles verbindlich vorgegeben, wir haben Verpflichtungen, und denen müssen wir auch nachkommen. Es klingt nicht mehr zeitgemäß, es ist aber noch immer so: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ sagt der Volksmund mit Blick auf Schule und Ausbildung. Und danach heißt der Stress: „Die Konkurrenz schläft nicht“. Damit unser Gesellschaftssystem funktioniert, müssen wir uns jeder als Einzelperson zurücknehmen und einfügen. Wir müssen gehorchen.

Vom Gehorchen spricht auch die Monatslosung für Juni 2017 – allerdings anders als im Sinne des bloßen Ein- und Unterordnens. In der Apostelgeschichte 5, Vers 29 sind es Simon Petrus und seine Mitapostel, die sagen:

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“.

Sie sagen es vor dem Hohen Rat. Und der sorgt sich - wie kurz zuvor im Strafprozess gegen Jesus - um die innere Sicherheit in Jerusalem. Darum sollten die Apostel von ihrem Evangelium von Jesus Christus schweigen.

Doch für die Apostel bleibt hier die Anklage des Hohen Rates zweitrangig: nicht alleine, weil das Evangelium eine Botschaft der Versöhnung mit Gott und des Friedens untereinander ist; allen voran hatte ja Simon Petrus immens darunter gelitten, dass er Jesus drei Mal verleugnet hatte (siehe Lukas 21,34+62) - und darin auch sich selbst. Petrus weiß, wer aus Angst vor Konflikten das Richtige nicht tut, ist unfrei und lebt in Unfrieden mit sich und seiner Umwelt. Dieser Preis ist zu hoch.
Deshalb: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“.

Wie heilsam dieser Satz ist, habe ich dort erfahren, wo ich ihn nach meiner Erinnerung das erste Mal gehört habe. Es war 1993 bei der Militärseelsorge während der Grundausbildung beim Wachbataillon der Bundeswehr.

Eingeschüchtert durch vorsorgliche Androhungen schienen wir Rekruten wie Spielbälle der Wut und Willkür unserer Ausbilder ausgeliefert:

„Ihr lauft rum wie ein schwuler Kanaken- Haufen“, brüllte bei Exerzierübungen wieder einmal ein Ausbilder, als plötzlich ein Kamerad mit „Rassist“ konterte. Der Widerspruch des Kameraden blieb ungestraft, aber nicht folgenlos.

Bis zum Ende der Grundausbildung wechselte der Ausbilder seine Tonart hin zur Sachlichkeit und einem Mindest-Respekt. Das war ein Rollenwechsel. Welcher Kamerad den Mut hatte, seinem Gewissen zu folgen und dem Gehorsam (Schmerz- )Grenzen zu setzen, weiß ich nicht. Aber ich habe ihn bewundert für den Mut, sich selbst diese Freiheit herauszunehmen - auch für uns andere.

„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ heißt, ein freier Mensch zu bleiben. Gottes Wort folgen ist die größte Freiheit. Und den Mut zu dieser Freiheit wünsche ich uns allen,
herzlichst Ihr
Klaus-Hermann Heucher
Pfarrer

(aus Gemeindebrief "Evangelisch An der Issel" Juni/Juli/August 2017)