Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Die Geschichte der Kirchengemeinde

Die reformatorische Zeit

Lutheraner gegen Reformierte, der Kurfürst soll schlichten

1555
In diesem Jahr bekannte sich der katholische Pfarrer Georg Hagedorn mit seiner Gemeinde zum lutherischen Glauben.

Nachbarschaftliche Kontakte, Berührungspunkte in Gericht und Verwaltung, Grundbesitz Weseler Familien in Hamminkeln waren vermutlich die Ursache und der Anlass für den Einzug der Reformation in Hamminkeln. Wesel war bereits 1540 lutherisch geworden.

Die konfessionellen Verhältnisse in der Frühzeit der Reformation waren in Hamminkeln verwickelt, einige wenige Familien blieben dem katholischen Glauben treu, nur fünf "Häuser" bekannten sich zum reformierten Glauben und wollten nach Calvins Auslegung der Bibel selig werden.

Die ersten Pfarrer machten allen Konfessionen Zugeständnisse und übten alle Religionsbräuche aus. So kassierte der lutherische Pfarrer noch 1776 Gebühren für Taufen, Hochzeit und Beerdigung von den Katholiken, die auch auf dem evangelischen Friedhof in allen Ehren bestattet wurden.

Erst 1612 bekannte sich Pfarrer Eickhoff endgültig mit seiner Gemeinde zum lutherischen Glauben.

In den folgenden Jahren entwickelten sich die Dinge anders, Hamminkeln wurde plötzlich von den Reformierten dominiert. Wesel hatte ja 1540 lutherisch begonnen, wurde aber, bedingt durch die niederländische Besatzung (bis 1672), reformiert. Einflüsse kamen auch nach Hamminkeln. In Folge versuchten Calvinisten ihren Glauben mit Gewalt in Hamminkeln durchzusetzen. Eine Gruppe Reformierter mit Unterstützung Weseler Bürger und der niederländischen Garnison verschafften sich gewaltsam Zugang zur Kirche. Aus Kirche und Pfarrhaus wurden die Lutheraner nun vertrieben, sie waren gezwungen ihren Gottesdienst auf den Höfen oder im Freien zu halten. Erst 1767 kam es zu einer Einigung zwischen den Konfessionen, bei der das Kirchenvermögen geteilt und die beiderseitige Nutzung des Gotteshauses eingeführt wurde. (sog. Simultaneum)

1639
formulierte der lutherische Prediger Sebastian Cuno eine Beschwerde an den Kurfürsten, wegen Behinderung durch die Reformierten, die Reformierten versuchten zu belegen, dass es "in Hamminkeln keine andere Religion gewesen als die Reformierte" und "es hat den Leuten so gefallen".

1641
wird der ref. Prediger Larbusch aus Brünen mit Gewalt eingeführt, niederländische Soldaten bewachten Kirche und Pfarrhaus. Der luth. Prediger zog nun vagabundierend durch den Ort und fand Unterkunft bei Hamminkelner Familien (u.a. Bovenkerk und Schneiders).

1642
befiehlt der Kurfürst die Kirche abwechselnd zu nutzen und das Vermögen zu teilen, "die Lutheraner dürfen keine Drangsal erleiden".

1647
ging erneut ein Befehl des Kurfürsten an die Gemeinden, wobei die Einkünfte aus Hamminkeln an den reformierten Prediger gehen sollten, der lutherische Prediger sollte die Einkünfte aus Ringenberg erhalten. (Die Lutheraner aus Ringenberg gehörten damals zu Hamminkeln). Die "Amtsleute" ignorierten oder verschleppten die kurfürstliche Anordnung.

1722
Mit Einführung der Reformation wurde der Dienst am Marienaltar eingestellt. Über die bestehenden Einkünfte aus dem Vermögen der noch bestehenden Stiftung stritten sich nun Lutheraner, reformierte und der Propst in Xanten vor ordentlichen Gerichten. Alle Konfessionen betrachteten sich als Rechtsnachfolger mit Zugriff auf die Einkünfte aus der Stiftung. Es entwickelte sich ein komplizierter Rechtsstreit, der 1717 begann und der erst 1753 entschieden wurde.

Die lutherische Gemeinde engagierte einen Advokaten, um den Prozess zu betreiben, beschloss aber zusätzlich ihren Hilfsprediger Peter Wolters direkt nach Berlin zu senden, um dort beim Ober-Appellationsgericht einen Prozess direkt zum Vorteil der Gemeinde zu betreiben. Da die Kasse der Lutheraner leer war, Reisekosten anfielen und auch das Gericht in Berlin Gebühren verlangte, erhielt Peter Wolters die amtliche Erlaubnis auf seiner Reise zu kollektieren. Als er nach fünf Jahren zurückkam und Rechnung ablegen sollte, war das Kollektenbuch nicht mehr vorhanden. Die Gemeinde war entsetzt, nicht nur das Kollektenbuch fehlte, viel schlimmer noch, Peter Wolters kam völlig mittellos in Hamminkeln an. In Berlin hatte er, so seine spätere Rechnungslegung, bei der Wirtin Bonesse logiert und an die 400 Taler und vermutlich somit das Kollektengeld verzehrt, ohne beim Gericht etwas erreicht zu haben.

Seine Amtsführung in Hamminkeln war liederlich, die Gemeinde führte Klage über sein Verhalten und ein Verfahren zur Amtsenthebung wurde eingeleitet.

Die Justiz entschied erst 1753 zu Gunsten der Reformierten, die Lutheraner erhielten jährlich nur 10 Taler und der Propst in Xanten zwei Kapaune.

Beendet wurde der Streit mit einem gemeinsamen Festmahl: Es gab Kaffee, Tee, Tabak, Krachmandeln, Rosinen, Bretzel, Bisquit, Weißbrot, Käse, Waffeln, Wein und Bier.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis